Fremd in der Heimat.
Text zur Ausstellung von Katharina Warda
My body is made of stars
Lit by their futures passed
Weighing down from above,
Untold stories
My body is made of stars,
An impatient supernova
Ready to explode!
Ready to be told!
Fremdenfeindlich nennt man es in der Zeitung als im Jahre 1994 Rufe wie “Deutschland den Deutschen. Ausländer raus” durch die Straßen schallen. Auch auf Bernaus Straßen hört man “Sieg Heil”-Rufe und “Asylanten wie Juden vergasen”. Oder zwanzig Jahre später, als ein Schwarzer Bernauer körperlich angegriffen und rassistisch beleidigt wird.
Fremdenfeindlichkeit heißt es im TV als im Jahr 1991 Menschen aus Hoyerswerda drei Tage lang Asylunterkünfte in Brand stecken und Steine und Molotowcocktails in Wohnheime von ehemaligen Vertragsarbeiter:innen werfen, um sie zu töten. Die Fremdenfeindlichen, so nennt meine Mutter die Menschen, die mich im Alter von sieben Jahren auf dem Heimweg von der Grundschule mit dem N-Wort beschimpfen, mich mit Steinen bewerfen und über den Schotterweg nach Hause jagen.
Dieses Zuhause ist aber nicht “Afrika”, wie sie sagen. Dieses Zuhause ist keine “Buschhütte”, “kein wilder Jungel”, wie sie denken. Das Land, aus dem ich komme und in das sie mich mit Flüchen zurückwünschen ist die DDR, ist Deutschland, ist Ostdeutschland, genau wie ihres.
Dieses “Afrika”, von dem sie sprechen, gibt es gar nicht. Auch Emanuel, Manuel und Imanuel, die als mosambikanische Vertragsarbeiter in die DDR migrierten, diese mit ihren ausbleibenden Löhnen ökonomisch sicherten und 1991 Hoyerswerda überlebten, kommen nicht aus diesem “Afrika”. Sie kommen aus einem realen Land eines realen Kontinents, nicht aus “der Fremde”. Dieses “Afrika” ist eine Erfindung unserer Kultur. Es ist das imaginative Fremde und hat als solches seine Funktion. Es ist exotisch, glitzernd, schaurig und schön. In Form von Weltausstellungen, Zoos und in Botanischen Gärten. Es ist ein anziehender Teil unserer Kultur, aber nur solange es beherschbar wirkt. Solange es seinen Platz kennt. Solange es klein, unmächtig, ja ohnmächtig erscheint gegenüber seinem Gegenpol, dem “Heimischen” und dieses damit erst genau zu dem macht, wie wir es wahrnehmen: vertraut, sicher, überlegen. Das Fremde darf diese Vertrautheit, diese vermeintliche Überlegenheit, die so viel Sicherheit schenkt nicht stören. Sie darf sie nur rückversichern und dazu gehört auch die Gewalt gegen “Fremde”. Dafür muss sie da und nicht da, sichtbar und unsichtbar sein. So hängt an jenem wohligen Gefühl von Heimat auch immer ein Preis, der bezahlt werden muss. Der Preis der Ausgrenzung, der Unsichtbarmachung und notfalls der Vernichtung. Aber praise be, ihn zahlen die Anderen, die “Fremden”.
In kleinen Glaskisten kommt das “Fremde” mit der Kolonialzeit nach Deutschland und lässt den Botanischen Garten entstehen. Darüber erzählt der Beitrag “Nach dem Warmhaus” von Anna Lauenstein und Max Hilsamer. Aus einfachen Pflanzen werden nun einheimische Sorten und Neobiota, “fremde, nicht-einheimische Pflanzen”. Ein Stück deutsche Weltmachtsfantasie, an die sich Kolonialwaren, Menschenzoos, Mohren-Inszenierungen, Gewaltexzesse und die Erfindung des Rassismus, des “Heimischen” und des “Fremden” reihen. Das Fremde und seine ihm eingeschriebene Abwertung leckt unsere nach Aufwertung lechzende Wunden, pinselt uns die dicken Bäuche und sagt unserem Ego, wer und was wir sind: überlegen. Dazu brauchen wir das Fremde. Doch das Fremde braucht uns nicht und übt Widerstände, manchmal an den ungewöhnlichsten Stellen. Verschleppte Pflanzen brechen aus dem Botanischen aus. Schaffen es in die Abwasserleitung und von dort in viele europäische Flusssysteme. Auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt rennen die ehemals vietnamesischen Vertragsarbeiter 1992 nicht mehr davon als sie von stolzen Deutschen mit Eisenstangen angegriffen werden. Sie bleiben stehen und schlagen als letzte Abwehr zurück.
Und in Brasilien, dem einst von Portugal kolonialisierten Land, das vom Sklavenhandel lebte, schreibt sich die nigerianische Yoruba-Kultur ganz selbstverständlich ins Heimische ein und lebt in ihr fort. In Ana Hupes Beitrag “Footnotes to triangular cartographies” spannt sie ein diskursives Netz aus Riten, Feiertagen, Gottheiten und Erzählungen, welches Kategorien wie “heimisch” und “fremd” ad absurdum führen. Die sonst unsichtbare Yoruba-Kultur Brasiliens wird hierdurch sichtbar als das, was sie ist: Schon immer da gewesen und bereit gehört, gesehen zu werden.
Kultur ist nirgends ein homogener Raum, dem ein homogen “Fremdes” gegenübersteht. Sie ist und war von Jeher ein polyphoner Kosmos, in dem Widersprüche aufeinandertreffen, miteinander leben und Verbindungen eingehen. Ein Weltraum der Aushandlungen, Inspirationen und Verschmelzungen und somit ein Habitat des Gedeihens. Eine solche Tafel der Aushandlungen, ein Tisch an dem jede:r Platz findet und sich als Teil der Vielfalt wahrnehmen kann, beschreibt Gudrun Sailer mit ihrem Beitrag “Fruchtbare Inseln, vom Senden und Empfangen”.
Und genau hier im Kosmos der Vielfalt, im Raum des schon immer dagewesenen und der ständigen Bewegung. Hier wo “fremd” und “heimisch” verschwinden, weil es sie nicht braucht. Hier, wo an ihrer Stelle Vielfalt wie Blumen blüht und es gegenseitige Wertschätzung wie Sternschnuppen regnet. Hier in diesem (noch) fremden Kosmos ist meine Heimat.