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Heimat, Herz, Orte: Emerita Pansowová & Ofri Lapid

14. August - 25. September 2021

Emerita Pansowová und Ofri Lapid sind zwei unverwechselbare Künstlerinnen, deren Werke aus völlig unterschiedlichen Ansätzen stammen. Ihr Denken über das Thema Heimat und seine Konnotationen ist jedoch mit derselben Stadt verbunden - Bernau. Im Fall von Emerita Pansowová ist es der Ort, an den sie in jungen Jahren von Berlin kam und sich ganz der Bildhauerei zu widmen begann. Seit vielen Jahren lebt sie hier und schafft fernab der Großstadt ihre Skulpturen, die reine Zustände der menschlichen Existenz ausdrücken. Ofri Lapid beschäftigt sich seit langem mit dem Thema der Gemeinschaften und lokalen Kulturen und setzt sich in ihrem Projekt auch mit der Identität und der Interpretation der Geschichte von Bernau auseinander.

Emerita Pansowová

Die Bildhauerin Emerita Pansowová macht auf den ersten Blick einen zerbrechlichen Eindruck. Die zarte und zierliche Frau verbreitet die Aura eines ruhigen Denkmals um sich herum. Ihre künstlerische Aussage ist im gleichen Modus. Die Stille des Ateliers der Bildhauerin ist von vollem Tageslicht erfüllt und die einzelnen Skulpturen stehen aufrecht und fest in einem großzügigen Ambiente.Sie beschreibt ihre Lebensaufgabe als das Streben, das Menschliche unter uns zu erfassen, sein reines Sein und seine Ausstrahlung, die den Betrachter mit ihrem bescheidenen Stolz und ihrer Reife erreicht. Emerita arbeitet seit Jahrzehnten mit enormer Hingabe und unerbittlicher Disziplin. Ihre Lebensgeschichte spiegelt wider, wie Loyalität, tiefe Überzeugung und unendlicher Fleiß in ihre künstlerische Praxis eingeflossen sind.Emerita hat sich auf das Thema der menschlichen Figur und den Ausdruck ihrer inneren psychologischen Spannungen konzentriert und ist immer wieder darauf zurückgekommen. Im Steinblock ist sie unermüdlich bestrebt, diesen Moment der eskalierenden Emotion einzufangen, den sie mit jedem weiteren Meißelstrich buchstäblich in die Masse ritzt. Es handelt sich jedoch um Nuancen, denn es gelingt ihr, die Integrität zu bewahren und dem Betrachter den Eindruck des Ganzen zu vermitteln. Die Bildhauerin hört dem allmählich entstehenden Wesen zu und beobachtet, was seinen Charakter auszeichnet. Sie beobachtet sorgfältig die gelebten Realitäten des menschlichen Körpers, psychologische Momente oder Lebensentscheidungen oder auch die kleinen Freuden des Alltags.Das Denken der Bildhauerin basiert auf und geht von einem reinen Steinblock aus. Sie studiert ihn sorgfältig und sucht nach dem, was das Material ihr erlaubt. Von Bedeutung ist auch das kraftvolle Fundament, aus dem die Figuren wachsen. Deren Füße und Zehen mögen massiv erscheinen, aber sie sind fest verankert und können durch ihre eventuelle Ausdünnung nicht verletzt werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Stein selbst, bei dem subtile, aber tiefe Emotionen in der Härte des Lavagesteins stärker ausgeprägt sind als in dem formbareren Sandstein. Die ausdrucksstarke Abstraktion der Formen des menschlichen Körpers, gepaart mit einer hohen Sensibilität für Psychologie und das Einfangen von Emotionen und deren Verwandlung, verleihen jeder Skulptur eine äußerst erdige Dimension. Ihre klare Haltung und unmittelbare Ausstrahlung haben eine Mutter und ein Kind, ein leichtfüßig schreitendes Mädchen, eine Tänzerin, einen Menschen, der im Begriff ist, einen Schritt zu tun, geschaffen - das Leben und Momente unseres Lebens, die mit großer Intensität festgehalten werden. Die Bildhauerin fängt die wesentlichen Themen der menschlichen Existenz in ihrer Zerbrechlichkeit wie auch in ihrer Ewigkeit ein.

Emerita Pansowova (*1946) wurde als Tochter einer deutschen Mutter und eines ungarischen Vaters in der Slowakei geboren. In jungen Jahren zog sie nach Berlin, wo sie von 1967-1972 an der Kunsthochschule Berlin - Weißensee und von 1974-1977 an der Akademie der Künste bei Ludwig Engelhardt Bildhauerei studierte. Nach dem Studium fand sie ihres Lebens – und Arbeitsmittelpunkt in Prenden und in Biesenthal. Für ihr Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Viele ihrer Skulpturen stehen im öffentlichen Raum, u.a. im Heinz-Graffunder-Park in Berlin und im Stadtpark Bernau bei Berlin. Ihre Werke befinden sich in der Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Plastiksammlung im Kloster Unser Lieben Frauen zu Magdeburg, Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Berlinische Galerie Berlin, Märkisches Museum Berlin.

 

Ofri Lapid

Die in Israel geborene Ofri Lapid wendet in ihrer künstlerischen und akademischen Praxis einen anthropologischen und ethnografischen Ansatz an. Ofri erforscht seit langem das Thema lokaler Geschichten und öffentlicher sowie persönlicher Erzählungen an verschiedenen eher peripheren und abgelegenen Orten der Welt, wo sie mit lokalen Gemeinschaften arbeitet.Das Thema Heimat bezieht sie nicht auf sich selbst, sondern auf die Identität der Einwohner und die Geschichte der Stadt Bernau. Bei ihrer anfänglichen Recherche wollte sich die Künstlerin über offizielle Institutionen mit öffentlich zugänglichen Quellen vertraut machen. Durch Zufall entdeckte sie, dass die Website des Heimatvereins derzeit nicht verfügbar oder im Aufbau begriffen war, und dass die Ankündigung des Wiederaufbaus mit Heimat im Umbau auf dessen Homepage bezeichnet wurde. Diese Tatsache veranlasste sie zu einer umfassenden Reflexion über den Charakter und vor allem die ständige Neuinterpretation der Geschichte für die Bildung der lokalen Identität.Denn es handelt sich um einen dynamischen Prozess, der immer wieder neu konstruiert und interpretiert wird; nicht nur aus wirtschaftlicher, politischer oder soziologischer, sondern auch aus kultureller Sicht.Ofri hat daher beschlossen, eine parallele Website zu erstellen, die auf der historischen Zeitleiste basiert, die in einer Broschüre der Touristeninformation zu finden ist.Die Funktionsweise derPlattform Heimat im Umbau basiert auf der Registrierung von Teilnehmern, die sich für die Geschichte von Bernau interessieren und denen eine lebendige Zeitleiste offenbart wird, dass sich ständig verändert und weiterentwickelt. Jeder Benutzer oder Betrachter macht so eine neue visuelle Erfahrung und wird Teil der Interventionen des Künstlers in einer neuen Mind Map.Die Identität eines Ortes wird immer von den Menschen, die dort leben, und durch ihre Erfahrungen geprägt. Jeder Ort ist ein lebendiger Organismus und kann durch alltägliche Perspektiven und gelebte Erfahrungen betrachtet werden. Durch das Studium historischer und lokaler Archive erforscht der Künstler sowohl die kollektive als auch die individuelle Erzählung der lokalen Geschichte und schafft eine vorläufige Interpretation, die in Echtzeit stattfindet.

Ofri Lapid (*1983) wurde in Haifa, Israel, geboren und lebt seit über einem Jahrzehnt in Berlin. Von 2004-2010 studierte sie an der Kunsthochschule Weißensee und promoviert derzeit an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg.

 

Text: Lucie Drdova