Eröffnung: Freitag, 16. August 2024, 18 Uhr
Begleitveranstaltung: Dienstag, 24. September 2024, 18 Uhr
In dieser Duo-Ausstellung nehmen die beiden Künstlerinnen die Besuchenden mit auf eine Reise in ihre Welt der Bilder und Sinneswahrnehmungen und deren Bezug zur Erinnerungskultur. Der Besuch beginnt bereits vor Betreten der Galerie. Von außen lesbar dient die Fensterfront als Fläche um einen gemeinsam verfassten Text auszustellen. Dieser kann gleichzeitig als Bild, Kartografie oder Typografie gesehen werden. Er stellt einen Gedankenstrang aus den Beobachtungen der beiden Künstlerinnen dar, die sich auf unterschiedliche Art mit der Mahn- und Gedenkstätte des ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück (Fürstenberg/Havel) auseinandergesetzt haben. Hier verarbeiten sie den Weg dorthin, die Landschaft und die Arbeit vor Ort auf persönliche Weise.
Susanne Kriemann betrachtet aus einer zeitgenössischen Perspektive des 21. Jahrhunderts die Erinnerungskultur und Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Sie zeigt hier eine Fotoserie, die in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte Ravensbrück entstand. Die Gebäude aus den Jahren1939-1940 dienten zur Beherbergung des Wachpersonals und der SS-Wachmannschaften mit ihren Familien. Die SS-Unterführerhäuser, seit 1994 leerstehend, zeugen von der Banalität des Bösen und dem sozialen Design der nationalsozialistischen Gesellschaft, auf die Kriemann ihre Linse mit sachlicher Nüchternheit richtet. Beschädigt von Zeit und Witterung stellt sich die Frage nach einer möglichen neuen Nutzung und damit einhergehend der Erinnerungskultur. Sollte die Natur sich den Ort zurückerobern dürfen? Während Menschen nicht wissen, wie sie mit diesem umgehen sollen, ist er Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Die Natur ist zentral in Kriemanns Arbeit. Auf die Fotografien überträgt die Künstlerin Pigmente, hergestellt mit vor Ort gesammeltem Staub und Baumaterialien, die mit den Anstrichen der fotografierten Objekte kongruent sind. So spielt sie mit dem Konzept der Kontamination. Spuren und Überlagerungen von Erinnerung kommen so zusammen, die Fotografie wird zu Archiv und Gedächtnis.
Im hinteren Teil der Galerie sehen wir die Installation Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden, scharfes Messer glänzt, schneidet entzwei und sticht…“ von Dominique Hurth, hier im Dialog mit Kriemanns Bildern. Der Titel der Arbeit entstammt dem Gedicht Nozna zmiana (Die Nachtsschicht) 1942-43 von Halina Golcowa geschrieben. In dieser Installation befasst sich Hurth überwiegend mit Textilbiografie und nähert sich über den Stoff den Fragen nach Aufarbeitung und Erinnern. Was kann uns ein Stück Stoff als Material über die Geschichte sagen? Die handgewebte Stoffbahn ist 15 Meter lang, dies entspricht der Länge, die ein Häftling, während einer 12 Stunden Schicht in der Weberei des Lagers bearbeitete. Perspektiven auf weibliche Zwangsarbeit sind bisher selten. Zwangsarbeiterinnen wurden häufig in der „weiblichen Domäne“ der Textilproduktion eingesetzt. Die Unregelmäßigkeiten im Gewebe erzählen die Geschichte der unter Zwang verrichteten Arbeit. Die Farben rangieren immer im fellgrünen bis grauen Bereich und muten militärisch an. Eine weitere Arbeit aus handgefärbten Drillich-Stoffbahnen verwebt Bilder und Texte miteinander, die sie bei mehreren Besuchen in Gedenkstätten und Staatsarchiven, Militärsammlungen, Kostüm- und Theaterdepots in den vergangenen Jahren gesammelt hat, um die Textilgeschichte, die Produktion und die Objektbiografie von Uniformen näher zu betrachten. Aufgrund der Materialknappheit während des Krieges dienten u.a. Birken und Brennnesseln auch als Färbemittel oder Material für Stoffherstellung.
Beide Künstlerinnen betreiben ihre Kunst als modernes Handwerk mit Bezügen in die Vergangenheit. Sie eint die Recherche und analytische Herangehensweise sowie die handwerkliche Umsetzung. Das Material, mit dem sie arbeiten, bestimmt wesentlich das Narrativ mit.